¿In Kirgistan habe ich meine Mission gefunden, sagt Jacqueline Ripart. Die französische Pferde-Expertin wird von ihren kirgisischen Partnern zärtlich ¿Jacqueline Edgi¿ genannt - große Schwester Jacqueline.
Ripart will das kirgisische ¿Urpferd¿ wiederfinden, das nahezu ausgestorbene Steppenpferd der Nomaden. Um die letzten Exemplare der kleinen, zähen Rasse finden, mit der Dschingis Khan einst Zentralasien eroberte, ist sie oft tagelang im Jeep unterwegs. Denn sie hofft, dass in abgelegenen Regionen weit oben im Tien-Shan-Gebirge noch einzelne Tiere der Art überlebt haben.
Die Bewohner der ehemaligen Sowjetrepublik Kirgistan verstehen sich als Nachfahren des großen Mongolenfürsten. Sie behaupten von sich, ihre Söhne könnten reiten, bevor sie laufen lernen. Kein Wunder. Denn über 3000 Jahre lang züchteten sie Pferde - in ihrer Genügsamkeit an die rauen Bedingungen des Nomadenlebens ideal angepasst.
Aber siebzig Jahre Kommunismus haben tiefe Spuren in der kulturellen Identität des zentralasiatischen Landes hinterlassen. Unter den Sowjets konnte das zierliche Kirgisenpferd nicht einmal mehr als Fleischlieferant bestehen. Es wurde mit größeren russischen Rassen zu produktivem Schlachtfleisch ¿verzüchtet¿. Pferderennen und Reiterspiele, seit jeher Brauch bei kirgisischen Geburten und Hochzeiten, wurden ebenso abgeschafft wie die umherziehenden Barden und ihre typische Musik.
Anfang der 1990er Jahre war der Spuk vorbei. Die Marx- und Lenindenkmäler stürzten, die Kolchosen wurden wieder abgeschafft. Viele Kirgisen bemühen sich nun, an die alten Nomadentraditionen anzuknüpfen.
Der Film begleitet Pferde-Expertin Ripart bei ihren Bemühungen, die Zucht des kirgisischen ¿Urpferdes¿ neu zu beleben. Damit Stuten und Hengste wieder zusammenfinden, veranstaltet sie am Issyk-Kul, einem der höchsten und schönsten Bergseen der Welt, alljährlich ein großes Reiterfestival. Berittene Bogenschützen, Bänkelsänger und die Jagd mit Adlern und Hunden gehören ebenso zum Programm wie der Ringkampf auf Pferden und Ausdauerrennen über Stock und Stein.
Regisseur Thomas Wartmann dokumentiert die Vorbereitungen zum Festival 2006 und porträtiert den jungen Pferdetrainer Odiz. An ihm und seinem zweijährigen Kirgisenhengst ¿Prix¿ hängen die Hoffnungen seines ganzen Dorfes.
Ein weiterer Protagonist ist der alte Abdillajan. Acht Kinder und sechzehn Enkelkinder hat er mit seiner Ehefrau Olga. Der ganze Hirtenclan, der den Sommer auf der Hochalm in der Jurte verbringt, lebt für den Pferdesport: Die Söhne spielen leidenschaftlich Kok-Buro, eine Art Pferdefußball, bei dem eine geköpfte Ziege die Rolle des Balls übernimmt. Und Tochter Asyyl, ist die Favoritin beim ¿Kiz Kumai¿, beim ¿Mädchen fangen¿. Den Männern, die versuchen, ihr im gestreckten Galopp einen Kuss aufzudrücken, wird sie wohl wieder auf dem schnellsten Rappen der Familie entkommen - nur um dann zu wenden und ihre Gegner mit der Reitpeitsche zu traktieren. So will es die Spielregel.
Zur Zeit der Entstehung des Filmes arbeitete Jacqueline Ripart schon sechs Jahre lang an ihrem Projekt zur Rettung des kirgisischen Pferdes. Korruption und bürokratische Willkür machten es ihr schwer in in einem komplizierten Land ohne nennenswerte Infrastruktur. Doch während ihres Aufenthaltes wird sie Zeugin einer kulturelle Renaissance. Natürlich kann das Rad der Geschichte nicht zurückgedreht werden. Es ist kaum anzunehmen, dass das alte Nomadenleben am Issyk-Kul neu entsteht. Wohl aber das Herzstück der kulturellen Identität: das Bewusstsein, ein Reitervolk zu sein.